Es ist sicherlich dem einen oder anderen bekannt, dass ich mit dem Fahrrad ins Büro fahre. Das mache ich nicht nur bei schönem Wetter sondern jeden Tag, das ganze Jahr.
Aber das war nicht immer so.
Als Stadtkind wuchs ich mit dem ÖPNV auf. Meine Eltern hatten zwar ein Auto, aber beide hatten immer schon ein Abonnement für den Nahverkehr. Das war vor 1989 etwas anders als heute, da sie kein Gesamtnetz hatten, sondern für eine bestimmte Strecke bzw Bereich, wenn ich mich richtig erinnere. Aber auch sonst war das Fahren im Innenstadtbereich mit 20 Pfennig pro Fahrt für Erwachsene und 10 Pfennig für Kinder auch recht überschaubar. Das Auto wurde daher für Urlaub oder Ausflüge Umland genutzt.
Das änderte sich nach der Wende auch nicht wirklich, auch wenn das Auto ein Neues war.
Da das bei mir mit dem Radfahren im Kleinkindalter nicht klappen wollte, lernte ich es erst recht spät mit 9 Jahren, eher durch Zufall. Das war auch nicht weiter schlimm. Zur Schule konnte ich, egal wo wir wohnten, immer zu Fuß gehen. Erst mit dem Wechsel aufs Gymnasium war es für mich nötig, mit der S-Bahn zu fahren. Das Fahrrad war damals dafür noch keine Option, wurde aber natürlich in der Freizeit viel genutzt.
Führerschein mit 18 ja, Auto gab es aber eh keines. Das Elternauto ausleihen musste auch immer sinnvoll begründet werden, aber ein Moped[1] hatte ich, mit dem ich aber nur selten in die Schule fuhr. Das änderte sich erst, als ich daheim auszog und deutlich näher an der Schule wohnte und das wenige Geld, welches mir zur Verfügung stand, sparsam einsetzen musste. Das Schülerabo für den ÖPNV kostet damals um die 40DM. Mit dem Moped kam ich den ganzen Monat für knapp 15DM zur Schule, aber das war irgendwann auch vorbei, als das Arbeitsleben begann. Da hatte ich dann aber keine Lust mehr auf den Berufsverkehr und nahm wieder den ÖPNV.
Die anfängliche Fernbeziehung zu Vio war für mich ein Grund ein Auto anzuschaffen und dann kam der Umzug aufs Dorf. Bus und Bahn waren hier nicht vorhanden und recht schnell nervte es mich, dass man ohne Auto quasi nichts machen konnte, aber irgendwann ging es wieder zurück nach Berlin. Nach 6 Jahren nur mit Auto auf dem Dorf, folgten daher 6 Jahre ohne Auto in Berlin. Meine Eltern wurden aber auch nicht jünger, ich musste öfter mal einen Teil zum Arzt fahren und auch andere Gründe sorgten für ein weiteres kurzes Auto-Intermezzo in Form eines smarts.
Ja, damit bin ich auch ein paar Mal zur Arbeit gefahren und fand es die meiste Zeit ziemlich nervig im Stau zu stehen. Aber auch generell andere Fahrten durch die Stadt. Einen Zeitvorteil hatte ich gegenüber Bus und Bahn fast nie. Daher waren das immer nur Ausnahmen.
Im Sommer 2016, als ich am Wochenende mit dem Rad ins Grüne fuhr, dachte ich mir, das könnte ich ja auch mal zur Arbeit probieren. Gesagt getan, Strecke ausgesucht und dann ging es jeden Tag mit dem Rad ins Büro. Es gab auch einen Rückschlag, nachdem mich nur ein paar Wochen später jemand über den Haufen fuhr[2]. Aber nach dieser ersten ungewollten Pause stieg ich irgendwann wieder auf den Sattel, das alte Rad genügte dann nicht mehr den Bedürfnissen und wurde schnell ersetzt. Ebenso vernünftigere Kleidung für jedes Wetter und es machte immer mehr und mehr Spaß.
Das in der Zwischenzeit bereits sehr selten genutzte Auto wurde noch seltener genutzt und schlussendlich, schon vor längerer Zeit, verkauft.
Nach dieser nun wunderbar langen Vorgeschichte kommt jetzt mein unwissenschaftlicher Vergleich für meinen persönlichen Arbeitsweg, mit den 3 Optionen ÖPNV, Auto und Fahrrad.
mit dem ÖPNV ins Büro
Wir wohnen sehr verkehrsgünstig, so dass ich bereits beim ÖPNV viele Optionen haben, die je nach Wahl natürlich unterschiedliche Vor- und Nachteile bieten. Grundsätzlich muss ich von Friedrichsfelde nach Altglienicke.
Zur Auswahl habe ich fast alles, was der Berliner Nahverkehr bietet, Bus, S-Bahn, U-Bahn, Straßen und Regionalbahn. Für meinen Vergleich nutze ich für den Hinweg die Variante mit nur einmal Umsteigen. Ich nehme vom Bahnhof Lichtenberg den RB24 bis nach Schöneweide und dort dann den Bus 160 Richtung Siriusstraße. Bei einer optimalen Gesamtzeit inklusive Fußweg, bin ich nach 45 Minuten im Büro.
die Strecke mit nur einmal umsteigen
Die Verbindung kann ich für den Rückweg leider nicht so nutzen, da die Regionalbahn nur einmal pro Stunde fährt. Daher ist die Alternative zunächst mit dem Bus nach Adlershof zu fahren, dann mit der S-Bahn bis Ostkreuz, nochmal umsteigen und bis nach Lichtenberg. Während das mit der S-Bahn recht gut klappt, steht der Bus nach 17 Uhr auf dem Weg nach Adlershof gerne mal im Stau, so dass der Anschluss nicht immer gegeben ist. Das sind glücklicherweisemeist nur wenige Minuten. Unter optimalen Bedingungen wäre es ebenfalls in 45 Minuten machbar, sind aber gern mal 10 Minuten länger.
Die Kosten in meinem Abo (Berlin AB) betragen 63,42€ pro Monat, bei rund 20 Arbeitstagen im Monat wären das rechnerisch 3,17€ pro Tag.
Vorteil: man kann lesen, spielen oder dösen.
Nachteil: wenn nichts fährt, steht man da, aber wie schon geschrieben, durch die Masse an Möglichkeiten komme ich immer irgendwie nach Hause
mit dem Auto ins Büro
Der kürzeste Weg beträgt 13km, das ist auch die Pendelstrecke, die ich steuerlich geltend machen kann. (Dabei spielt das Verkehrsmittel ja keine Rolle)
kürzeste Strecke
Die theoretische Fahrzeit für diese Strecke sind 23 Minuten. Praktisch sind es eher 50 Minuten im Berufsverkehr. Da ist der Fußweg zum Auto jedoch nicht eingerechnet. Einen Parkplatz nahe meiner Wohnung zu bekommen ist am Abend nahezu unmöglich, ergo muss man morgens laufen bzw abends suchen und laufen, da können gern auch noch mal 10 Minuten zusätzlich vergehen. Auch bei der Wahl anderer Wege, die nur 1-2km länger sind, gibt es keinen Zeitvorteil, es ist einfach überall voll. Am Ende wäre ich locker 2 Stunden pro Tag unterwegs, in der ich nichts anderes machen kann, als zu warten.
Die Kosten sind etwas schwieriger zu betrachten. Ich habe damals für den smart für Versicherung und Steuern knapp 550€ im Jahr bezahlt, dazu kamen alle 2 Jahre 100€ HU. Das wären dann schon 600€ zzgl Treibstoff mit durchschnittlichen 6l auf 100km. Bei 13km hin und zurück sind das auf 20 Arbeitstage 520km und 31,2l. Bei 1,45€ pro Liter sind das 45,24€ je Monat. Monatlicher Anteil aus Versicherung, Steuern und HU sind 50€. Das wären pro Monat bereits 95,24€ und damit bei 20 Arbeitstagen sind das mindestens 4,76€ pro Tag (aber nur für diese Strecke).
Nicht betrachtet sind nötige Durchsichten, Wartungen, Ersatzteile oder gar die Anschaffung. Ein Satz Reifen inkl Wechsel kostet knapp 150€, eben soviel kostet eine kleine Durchsicht. Das käme alles noch obendrauf.
Vorteil: unabhängig
Nachteil: stressig und nervig
mit dem Fahrrad ins Büro
Mit dem Fahrrad habe ich mir nicht den kürzesten Weg ausgesucht, der wäre in meinem Fall identisch mit dem Auto, nur schön ist das ja nicht. Mit gut 14,5km ist er auch nur unwesentlich länger, aber ich fahre da mehr durchs Grüne und teilweise abseits großer Straßen. Von den erfreulichen neuen Pop Up Radwegen habe ich aber auf der Tour leider gar nichts.
Fahrradstrecke
Je nach Tagesform schaffe ich die Strecke zwischen 40 und 45 Minuten von Tür zu Tür ohne zu hetzen. Damit bin ich in jedem Fall mindestens genauso schnell wie der ÖPNV und eben meist schneller als mit dem Auto.
Kosten, auch hier ist es schwierig das zu betrachten. In meiner Hausratversicherung sind standardmäßig Fahrräder bis 500€ Kaufpreis mitversichert, das scheint auch bei vielen anderen der Fall zu sein. Aber selbst eine Höherversicherung wären nur 5-10 Euro mehr im Monat. Grundsätzlich fallen beim Fahrrad zunächst auch nur wenige laufende Kosten an, wenn man es pflegt. Wenn nicht, kostet es im Grunde gar nichts, außer mehr Kraft.
Eine Durchsicht liegt oft bei 40-50€, ein Satz neue Reifen bei 50-100€ inkl Wechsel, ein Satz Bremsbeläge für die Scheibenbremse kostent auch kaum 10€. Das sind alles sehr übersichtliche Kosten. Auch hier lasse ich die Anschaffung außen vor.
Am Ende kommen wir auf Kosten von vielleicht 0,50€ pro Tag.
Vorteil: unabhängig, gleichzeitig schon Freizeit und man tut was für die eigene Gesundheit
Nachteil: ab und an kann es gefährlich werden, wenn man nicht für Autofahrer mitdenkt
Fazit
Für den Weg ins Büro ist und bleibt das Rad mein Favorit und ich kann es nur empfehlen, es selbst auszuprobieren. Auch wenn es eventuell länger dauert, als mit dem Auto, man tut was für die eigene Gesundheit und gerade für Menschen mit Bürojobs ist das ein guter Ausgleich. Ich selbst genieße es morgens durch die Wuhlheide zu fahren, den Vögeln und Bäumen zu lauschen und Füchsen oder Eichhörnchen zu begegnen.
Für Erledigungen vor oder nach der Arbeit nehme ich natürlich auch mit dem Rad die Abstecher in Kauf. Ja, ich muss vielleicht vorher etwas recherchieren ob und wie ich dann mein Fahrrad sicher abstellen kann für den Termin, aber dafür fällt die Anschlusssuche komplett weg, oder für Autofahrten die Parkplatzsuche.
Bezüglich Kleidung und Umziehen handhabe ich es so, dass ich jeden Tag ein frisches Hemd oder T-Shirt im Rucksack mitnehme. Im Büro habe ich Hose und Handtuch, kann mich wahlweise im WC oder seit kurzem in einer Dusche frisch machen. Letzteres ist aber meist nicht nötig. Im Rucksack habe ich auch immer Luftpumpe, Ersatzschlauch und Regenkleidung bei. Alternativ kann man das aber auch in Gepäckträgertaschen mitführen, das wiegt alles nicht viel.
Dass das Fahrrad nicht nur in der Stadt eine Alternative sein kein, kann man auch in diesem Beitrag sehen:
Gerade wir in Berlin haben einen guten und günstigen ÖPNV, den man, wenn einem die Wege zu weit sein sollten, mit dem Rad kombinieren kann. Ja, es gibt überall Optimierungsbedarf, seien es Radwege oder gar Radstellplätze. Aber es gibt aus meiner Sicht keinen Grund mit dem privaten Auto (quer durch die Stadt) ins Büro zu fahren. Die Idee einer City-Maut für den Berliner Innenstadtbereich finde ich ganz gut, ebenso Tempo 30, generelle Fahrverbote hingegen finde ich nicht optimal.
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